Für seine erste institutionelle Ausstellung hat Raphael Stucky ein eigens für das Untergeschoss der ehemaligen Kanzlei erdachtes Projekt konzipiert. Der Künstler hinterfragt die Vergangenheit des Gebäudes, das von 1803 bis 1998 als Gefängnis diente, und bringt seine Faszination für die nahe gelegene, berühmte Orgel der Basilika von Valeria zum Ausdruck. Er präsentiert eine Gruppe neuer Werke, welche einen Dialog zwischen diesen Orten entstehen lassen: Sie alle befassen sich mit Einschliessen und Freiheit, Reise und Exil, mit der Tiefe des Schweigens und der Vitalität des Klangs.
Flügelfragment
Die Ausstellung beginnt mit einem bemalten Flügelfragment (V, 2024). Das Gefieder, ein diskreter Hinweis auf den Engel auf einem der Orgelflügel von Valeria, könnte auch von einem Vogel oder einer Sirene stammen. Es symbolisiert einen bewegten Gedanken, welcher dem gesamten Rundgang zugrunde liegt, von den lichtdurchfluteten, klangerfüllten Höhen der Kirche zum Untergeschoss der ehemaligen Kanzlei.
Von Miniaturkoffern bis zu Sirenen
Mehrere Dutzend Minikoffer aus Keramik (Anti-Volumen, 2024), welche den Anschein erwecken, von unsichtbaren Reisenden gezogen zu werden, geleiten das Publikum durch die Räume. Obwohl sie kein Geräusch machen, erschallt das Gewölbe darüber mit dem Gerücht einer Menschenmenge, deren Abreisegrund rätselhaft bleibt: Ferien, Migration, Exil? Die Kofferprozession führt zu drei monumentalen Scheiben aus perforiertem Stahl (Siren Disc, 2024), die an der Decke hängen und denen akustische Spuren anhaften: formell erinnern sie an Schallplatten, aber auch an eine Sirene, ein altes akustisches Instrument zum Messen der Schallwellen, eine Vorstufe der heutigen Alarmsysteme.
Cage no Cage
Im letzten Raum sind im Video Cage no Cage (2023) aufgestapelte Plastikkisten aus dem Lebensmittelgrosshandel zu sehen, über die sich Spatzen hermachen. Die Vertonung, eine Perkussionskomposition des Künstlers, vermittelt das nervöse Hüpfen der Vögel und verstärkt es noch. Der rasche Rhythmus lässt die Tiere wie Schauspieler wirken, gegenüber dem übermässigen Konsum der Menschen.
Vom Flügelschlag, dem Auftakt der Ausstellung, zu den Flugbahnen der Vögel, welche den Abschluss bilden, befasst sich Troposonic mit der Zirkulation von Luft und Klang. Die Wortschöpfung des Künstlers, ausgehend vom griechischen Präfix «tropo-», etwas, das sich bewegt, wendet, verändert, bezeichnet ein Projekt, das von unsicheren Klangerscheinungen durchquert wird, wo die Werke als Echo und in thematischen Resonanzen aufeinander reagieren. Die Ausstellung lädt zu einem organischen Rundgang, in der wahrgenommener oder dargestellter Klang den roten Faden bildet.
Biografie des Künstlers
Raphael Stucky (Ernen/CH, 1989*) ist in Ernen, im Wallis, aufgewachsen. Er lebt in Basel und arbeitet als Künstler, Musiker, Foto- und Videograf. Er hat an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel studiert (2010–2013) sowie an der Zürcher Hochschule der Künste (2015–2018). Seit 2018 bildet er mit Andreas Thierstein das Duo Hammer Band.